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Auswege aus einem Scham-Angst-Zyklus

Scham und Schamgefühle kennen wir. Und Angst natürlich auch. Doch was sollen wir uns unter einem Scham-Angst-Zyklus vorstellen?

Friedemann Alsdorf spricht dazu in unserem neuesten >>> Podcast – hier im Blog eine kurze Zusammenfassung:

Zuerst: Es gibt gesundes Schamempfinden.

Wir empfinden Scham, wenn Grenzen in Bezug auf das, was uns angebracht und wertvoll erscheint, überschritten werden. Schamgefühle sind ein Schutz und emotionales Warnsignal, sie motivieren uns, Grenzen zu wahren, die uns wichtig sind.

Krankmachende Scham

Zwei Faktoren können dazu führen, dass aus Scham eine krankmachende Scham wird. Der eine davon ist die wiederholte Beschämung von außen, der andere eine eigene unangemessene Schutzreaktion.

Bei einer wiederholten Beschämung von außen wird nicht ein aktuelles Verhalten, sondern die ganze Person abgewertet: „Was ist denn jetzt schon wieder! Du bist nur eine Last für mich!“ „Reiß dich zusammen, du Waschlappen!“

Wenn es nicht gelingt, solche Beschämung zurückzuweisen, möchte man sich als ganze Person verstecken und schämt sich für sein Dasein. Aus einem vorübergehenden Gefühl wird eine dauerhafte Grundhaltung von Minderwertigkeit.

Der andere Faktor, durch den aus Scham eine krankmachende Scham wird, hängt mit unserer eigenen Reaktion zusammen.

Wenn wir den Verhaltensweisen und Situationen, die zu Scham führen, nicht nur ein gesundes, klares Nein entgegensetzen und entsprechend handeln, sondern ein übertriebenes „Nein, um keinen Preis!“, dann geraten wir in den Sog des Vermeiden-Müssens: „Alles, nur das nicht!“ Mögliche Auslöser für Schamgefühle müssen um jeden Preis vermieden werden. So können Ängste und Vermeidungsverhalten immer mächtiger werden!

Der Scham-Angst-Zyklus

Mit dem Begriff Scham-Angst meinen wir nun die Kombination aus verinnerlichter Scham (die sich gegen die eigene Person richtet) und der Angst vor erneuter Beschämung (nach dem Motto: „Alles, nur das nicht!“).

Wenn ich von Scham-Angst beeinflusst bin, versuche ich unter großer Anstrengung, meine Mängel (für die ich mich schäme) auszugleichen oder zu verbergen. Ich denke: Wenn andere wirklich wüssten, wie ich bin, dann würden sie mich nicht mehr mögen oder achten.

Darum bemühe ich mich, ein „liebenswerter“ Mensch zu sein, andere nicht zu enttäuschen, gute Leistungen zu erbringen, mich zu beherrschen. Dabei wächst aber das Gefühl, zu kurz zu kommen, das Eigentliche zu versäumen.

Man kann sich das wie einen Kreislauf vorstellen: Mal oben in der Selbstbeherrschung und Dominanz, bis man wieder frustriert und entkräftet ist, dann unten in der Enttäuschung und Rebellion, bis man sich wieder aufrafft und zusammenreißt.

Auswege aus dem Scham-Angst-Zyklus

Menschen, die mit Scham-Angst leben, kommen nicht selten in Seelsorge oder Beratung mit dem Wunsch: „Hilf mir, dass ich ‚oben‘ bleiben kann, selbstbeherrscht und diszipliniert!“ Doch das ist anstrengend und zum Scheitern verurteilt! Es geht vielmehr darum, dass in mein entmutigtes Ich und in all das, was ich scham-ängstlich verbergen möchte, Jesus hineinkommen kann mit seinem Licht, seiner Liebe, seiner Barmherzigkeit und Vergebung.

Vier wichtige Schritte, aus einem Scham-Angst-Kreislauf auszusteigen:

  • Ich bitte Jesus, mir genau in den Punkten zu begegnen, für die ich mich schäme. Statt mich damit auch vor Gott zu verstecken, setze ich mich Seiner Gegenwart aus – Er wird mich nicht neu beschämen!
  • Ich löse mich von falschen Überlebensstrategien. Wo ich in Schmerz oder Verzweiflung gesagt habe: „Alles, nur das nicht!“ erkenne ich nun den Unterschied zwischen einem gesunden „Nein!“ und einem versklavenden „Nein, um keinen Preis!“.
  • Ich darf mir meiner Würde bewusst sein. Unsere Würde gründet sich darin, dass wir Geschöpfe nach dem Ebenbild Gottes sind; sie beruht also auf einem unverlierbaren Zuspruch von Gott. Würde wird nicht gewährt und kann nicht entzogen werden, ist unvergänglich, unveräußerlich und unbedingt. Man kann sie (im Unterschied zur Ehre) nicht verdienen. Man kann Würde nur achten oder missachten.
  • Ich wage, im Licht zu wandeln, ans Licht zu kommen, statt scham-ängstlich nicht bekannt werden zu wollen. Wenn ich das tue, erfahre ich, dass Gott mir vergibt und mir nah ist. Damit ist nicht gemeint, dass ich vor jedem in jeder Hinsicht völlig transparent bin. Ich darf Dinge zurückhalten, um mein Selbst zu schützen. Meine Lebensenergie stecke ich aber nicht mehr in meine Fassade, sondern in echte Beziehungen – zu mir selbst, zu Gott und zu meinen Mitmenschen.

Dazu möchte Gott mich und Euch von Herzen ermutigen!

Friedemann Alsdorf (März 2023)

Hinweis:

Diesen Podcast haben wir im Rahmen einer neuen Podcastreihe „Alte Schätze – neu entdeckt“ aufgenommen, bei der wir zentrale Themen aus unserer Arbeit in 20-30 Minuten vorstellen. Mit dem Titel meinen wir nicht, dass wir Verstaubtes aus der Schublade holen, sondern dass wir Sie einladen, Schätze, die es schon lange bei IGNIS gibt und an denen wir kontinuierlich weiterarbeiten, neu zu entdecken. Denn es sind Schätze für heute!

„Auswege aus dem Scham-Angst-Zyklus“ mit Friedemann Alsdorf war unser erstes Thema. Im April 2023 wird Katrin Kroll zum Thema „Kognition und Emotion“ sprechen, im Mai Andreas Feldrapp zu „Seelsorge“…

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