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Keine Angst vor Licht und Finsternis!

Wie geht es Ihnen, wenn Sie (wahrscheinlich zum wiederholten Male) hören oder lesen, dass Jesus seinen Jüngern zuspricht: Ihr seid das Licht der Welt, die Stadt auf dem Berge, die nicht verborgen sein kann (vgl. Mt 5,14). Kommt Ihnen vielleicht auch die ängstliche Frage: Wie soll ich kleines Licht denn bestehen können!?

Kann ich bestehen gegenüber den vielen Lichtern einer großen Stadt, der strahlend hellen Leuchtreklame?

Die Zuhörer Jesu hatten natürlich ein ganz anderes Bild vor Augen – wie ich es kürzlich beim Treffen von Verantwortlichen* in einer Predigt anschaulich erklärt bekam: Eine Stadt in der Größe eines Dorfes, ohne Straßenbeleuchtung. In den Häusern brennen kleine Öllampen. Weil die Umgebung so dunkel ist, wie wir das nachts fast nirgends mehr erleben, sind die kleinen, warmen Lichter auf dem Berg weithin zu sehen. Die starke Dunkelheit macht das Licht sogar deutlicher, sichtbarer.

Kann ich bestehen gegenüber der starken Dunkelheit?

Doch viele Christen haben auch Angst vor der Dunkelheit, der Finsternis der offensichtlichen Sünde, die das Gute zu verschlingen scheint: Verlust von Werten wie Leben, Familie, Ehe, …, Phänomene wie zunehmende Gewalt, Korruption, öffentliches schamloses Lügen, …  All dies scheint ebenfalls stärker als unser Licht.

Müssen wir Angst vor dieser Finsternis haben?

Mir fällt Psalm 139 ein: > Sagte ich: “Die Finsternis umschließe mich, das Licht um mich werde Nacht!” Auch die Finsternis ist nicht finster vor dir, die Nacht leuchtet vor dir wie der Tag, die Finsternis wäre wie das Licht. <  (139,11f, NEÜ)

Der Psalmbeter scheint mit dem Gedanken zu spielen, sich vor Gott in der Finsternis zu verstecken. Doch er merkt: Auch dort sieht mich Gott, als wäre ich im Licht. Denselben Gedanken kann ich auch anwenden, wenn ich resignierend oder ängstlich denke, dass die Finsternis immer stärker wird und schließlich das Licht verdunkelt.

Bei Gott ist Finsternis Licht.

Wenn unsere kleinen Lichter in den Häusern – vertrauend auf Gottes Perspektive und Möglichkeiten – einfach weiterbrennen und wir sie nicht unter Eimer stellen (Mt 5,15), um sie vermeintlich zu schützen, kann zunehmende Dunkelheit ihre Sichtbarkeit nicht trüben. Sie hebt sie sogar hervor. So muss selbst die Finsternis, obwohl in ihr nichts Gutes liegt, am Ende Gott dienen.

Nicht von scheinbarem Licht blenden lassen!

Vielleicht gefährlicher sind die trügerischen falschen (künstlichen) Lichter, die Gutes oder Heil versprechen: Jagen nach Erfolg, nach äußerem Gut-Erscheinen, die Konzentration darauf, die böse Welt zu verurteilen, weil wir uns dann als die Besseren fühlen, unsere alltäglichen kleineren und größeren Süchte usw. Nicht umsonst ist ein Name des Teufel Lucifer (= lat. Lichtträger), er ist Meister des künstlichen Lichtes, das hervorhebt, was uns nicht guttut, und uns damit entweder entmutigt oder verführt.

Das Öl in unseren kleinen Lampen brennen lassen!

Pflegen wir sorgfältig unsere kleinen Lichter, achten darauf, dass immer Öl (ein Bild des Heiligen Geistes!) da ist. Du musst keine „große Leuchte“ sein, dich nicht mühevoll größer machen, als Du bist! Sei einfach sichtbar als das Licht, mit dem Entwicklungspotential, zu dem Gott Dich schuf, und versteck Dich nicht hinter verdunkelnden Wänden (Fensterläden, Mauern, unter Eimern). Das reicht!

Das warme, kleine, stetige Licht der kleinen Öllämpchen in den Häusern der „Dörfer“ auf den Hügeln wird sichtbar und gibt Orientierung, gerade wenn die Finsternis zunimmt, und unterscheidet sich beim näheren Hinsehen auch von greller künstlicher Propagandabeleuchtung. In einer einfachen und ehrlichen, sich entwickelnden Beziehung mit unserem Herrn können wir darauf vertrauen, dass unser Licht leuchten wird, unterscheidbar von falschem Licht und erkennbar sogar und gerade da, wo es besonders finster aussieht.

Wolfram Soldan

*Dieses Treffen von Verantwortlichen gibt es seit 1974. Etwa 200 Verantwortliche aus christlichen Gemeinschaften, Werken, Bewegungen und Initiativen treffen sich einmal jährlich für vier Tage zum persönlichen Austausch und Gebet, zum Kennenlernen und zu gegenseitiger Stärkung.

Ein besonderer Meilenstein war das „Treffen von Verantwortlichen“ im Jahr 2000. Chiara Lubich, die Gründerin der Fokolarbewegung, und Altbischof Ulrich Wilckens waren u.a. als Gäste dazu eingeladen. Aus der Verkündigung heraus entstand eine starke Bußbewegung unter den Konfessionen. Diese starke Erfahrung der Einheit führte zu einem Miteinander der christlichen Gemeinschaften, aus dem dann das „Miteinander für Europa“ entstanden ist.